Wunderkammer mit Krokodil

 

Wie kommt der Affe in die Wunderkammer? — Kunsthaus Kaufbeuren

 

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Anja Güthoff packt aus

Allgäuer Zeitung, 14.09.19, Nr.213, Martin Frey

„Zweifellos meisterhaft und deshalb auch vielfach preisgekrönt ist die künstlerische Arbeit von Anja Güthoff. Doch bei der „Führung“ durch die aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Kaufbeuren am Donnerstagabend schien es gar so, als ob sie selbst der Physik ein Schnippchen schlagen kann. Denn als die gebürtige Kaufbeurerin ihren im Foyer präsentierten „Wunderschrank“ ausräumte, war das Publikum durchweg verblüfft, welche Fülle an Kunstvollem, Skurrilen und naturgegebnem sie aus den vielen Schublädchen und Fächern hervorholte. Am Ende waren die rund zwei Quadratmeter Tapeziertisch, auf denen Güthoff ihre stimmig verpackten Fundstücke ausbreitete, fast komplett belegt. Ein Wunder? Zumindest aber eine Performance zum Wundern – und genau das ist das künstlerische Prinzip, dem sie schon seit Langen mit ihren Installationen folgt. „Wunderkammer“, das ist das Zauberwort.

Diese Aufbewahrungs- und Schauräume für Sammlungen von allerlei besonderen, am besten exotischen Gegenständen kamen ab dem 14. Jahrhundert bei den Adeligen und Reichen in Mode, wie Dr. Sylvia Heudecker, Studienleiterin der Irseer Schwabenakademie, vorab erläuterte. Mit der Aufklärung und der Entwicklung der modernen Wissenschaften im 18.Jahrhundert ging die Zeit dieser zumeist repräsentativen Sammelsurien zu Ende. Doch der menschliche Drang zum Sammeln ist geblieben. Dafür sprächen etwa die lange Zeit unverzichtbaren Setzkästen in vielen Wohnzimmern – oder eben Güthoffs Kunst.

Seit ihrer Kindheit sammelt die in Augsburg tätige Künstlerin alles, was ihr in der Natur, auf Flohmärkten oder sonstwo in die Finger gerät. Für die aktuelle Kaufbeuren Ausstellung durfte sie sich zudem im Depot des Stadtmuseums umschauen und hat von dort so einiges leihweise mit ins Kunsthaus gebracht: Einen gläsernen „Schnapshund“ etwa, oder auch einen Federfächer aus dem Nachlass von Ludwig Ganghofer. Vor allem aber ist da ihr Kabinettschränken mit originalen Teilen aus dem 16.Jahrhundert, das randvoll, aber wohl geordnet ihre Sammelschätze birgt. Ein Urlaubsmitbringsel–Segelschiff aus Muscheln beispielsweise, zwischen Glasplatten konservierte Schmetterlingsflügel, historische Fotos und aktuelle Zeichnungen, eine angeknabberte Haselnussschale und ein winziges Stopfeier Fingerhandschuhe… Am Ende eben fast zwei Quadratmeter geballte Sammelleidenschaft. Um das kleine Möbel endgültig zum Wunderkammer–Gesamtkunstwerk zu machen, hat Güthoff zudem Füllungen der Türchen und Wände mit einigen ihrer grafischen Arbeiten gestaltet. Ein berechtigter Hinweis, bei aller Faszination für die gesammelten Schätze ihre brillanten Zeichnungen, Gemälde und Collagen nicht zu vergessen, von denen einige Beispiele ebenfalls im Kunsthaus zu sehen sind.

Ein Motiv, dass auf diesen Werken und auch sonst in Güthoffs Arbeit immer wieder auftaucht, sind Affen. Diese Tiere faszinieren die Künstlerin in ihrer vielfältigen Symbolik, aber auch ganz konkret. Seit rund 30 Jahren etwa besuche sie regelmäßig den Schimpansen „Coco“ im Augsburger Zoo  auch um ihn zu zeichnen. Inzwischen sei er mehr oder weniger zu einem Kollegen geworden. Denn auch er verstehe es, versiert mit im Gehege abgelegten Papier, Kohle und Kreide zu zeichnen. Einige Dokumente dieses Schaffens sind wiederum im „Affenfach“ ganz oben im Kabinettschränken abgelegt.

Bekrönt wird dieses übrigens auch von einem Affenkopf, der in Stettin entstanden und eigentlich unvollendet geblieben ist. Aber das ist wieder eine andere der vielen „Wunderkammer“–Geschichten, wie es sie fast zu jedem der vielen Inventarstücke gibt – und deren Niederschriften eine wahrscheinlich noch viel größeren Tapeziertisch füllen würden.“

 

Kreativer Klimawandel

Allgäuer Zeitung, 06.09.19, Nr. 206, Martin Frey

„Die großen Blöcke aus grauem Blech mit den charakteristischen Ventilationsöffnungen, die im Foyer des Kunsthauses Kaufbeuren stehen, gehören nicht dazu. Sie spielen aber trotzdem eine gewisse Rolle bei der nächsten, durchaus ungewöhnlichen Schau des Kunsthauses Kaufbeuren. Dieses bekommt derzeit nämlich eine neue Klimaanlage, was einen normalen Ausstellungsbetrieb mehrere Wochen lang unmöglich macht. Deshalb hat Kunsthaus–Direktor Jan T. Films die Künstlerin Anja Güthoff eingeladen, das Foyer in eine »Wunderkammer« zu verwandeln. (…) Als klar war, dass wegen der Sanierungsarbeiten die Ausstellungsräume in den Obergeschossen des Kunsthauses den September über nicht genutzt werden können, erinnerte sich Wilms an Güthoff. Die 1965 in Kaufbeuren geborene und inzwischen in Augsburg tätige Künstlerin war schon bei der ersten Jahresausstellung des Kunsthauses vertreten. Sie zeigte vor einiger Zeit eine große Einzelausstellung im Sparkassen-Gewölbe in der Wertachstadt (wir berichteten) und brachte in diesem Frühjahr – unterstützt von der Kaufbeuren Künstler–Stiftung – ein opulentes Buch zu ihrem künstlerischen »Wunderkammer«–Konzept heraus (…)“. Im Kunsthaus-Foyer „zeigt Güthoff unter anderem zwei mit Fundstücken bestückte Kabinettschränke. Einer davon ist eine Leihgabe de hiesigen Stadtmuseums, in dessen Depot die Künstlerin für die Kaufbeurer Ausstellung stöbern durfte.“

 

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