Es war schon da

schalbrett

Pinselzeichnung auf Schalbrett, 50×200 cm, 2017

„ (…) Dieses Schalbrett zeigt Spuren des Gebrauchs. Offensichtlich wurde es ursprünglich in seinem eigentlichen Sinn benutzt, als Brett beim Aufbau von Mauern, wenn Beton gegossen wird. Jetzt dient es als Bildträger für eine Acrylzeichnung. Die Verunreinigungen und Gebrauchsspuren im Holz geben dem Bild eine malerische Grundlage, auf welche die Künstlerin ihre Acrylzeichnung mit dem Pinsel auftrug. Die schwarze Zeichnung zeigt ein Landschaft mit Bäumen, Himmel, Wasser, Sträuchern und Gräsern. (…) „Es war schon da“ wirkt hintergründig, geheimnisvoll und dabei letztlich überzeitlich. Keine Raum-Zeit-Logik stellt sich ein, keine Verrottung, weder geographisch-räumlich noch zeitlich lässt sich ausmachen. So werden denn die Darstellung „Landschaft“ wie auch das Motiv „Schalbrett“ parallel und gleichwertig zum eigentlichen Bildmotiv. Dieses Werk transportiert keine klare Botschaft, sondern bleibt ambivalent. In seiner Ästhetik zeigen sich gleichzeitig Vergänglichkeit und Überzeitlichkeit, sowohl im flüchtigen Pinselstrich und der Unschärfe der Darstellung, wie auch im Material selbst. Das Schalbrett war in anderer Funktion schon einmal da, dieser Typ von Landschaftszeichnung ebenso – und doch beides ganz anders. Damit macht die Künstlerin Anja Güthoff Aussagen über Kunst generell. Denn zu jeder Zeit speiste sich Kunst aus dem Wissen und den Formen der Vergangenheit, entwickelte diese weiter oder variierte diese und trug sie schließlich in eine neue Zeit. Es ist die ständige Auseinandersetzung mit Vorgefundenem und dem Hinzugedachten – dem Vertrauten und dem Neuen, Fremden. (…) Mit ihrem Werk interpretiert die Künstlerin unsere Welt, eröffnet neue Sichtweisen und Denkansätze. Kunst interpretiert das Dasein, und Kunst interpretiert Kunst – wenn man beim Betrachten dieses Bildes auch an Rembrandt-Zeichnungen, Kalligraphie und japanische Landschaftsbilder erinnert wird. In genau diesem Spektrum bewegt sich „Es war schon da“. In seiner Ambivalenz erlaubt dieses Tafelbild viele Zugänge, eröffnet viele Möglichkeiten weiter zu denken. Ja es fordert uns geradezu auf, eigenen Denkspuren zu folgen.“

Begründung der Jury, Dr. Karin Haslinger, Irsee, 2017